Bergen, Sørfjord

Mittwoch, 5. September 2012: Bergen

Bryggen
Ich verlasse vorerst Røldal in Richtung Bergen. Im Tunnel geht es zunächst nach Nordwesten, bis zur Stadt Odda am Südende des Sørfjord. Auf dem Weg dahin schaue ich mir auch den Doppel-Wasserfall Låtefoss an, der direkt an der Straße liegt (ebenso wie leider ein Souvenierkiosk, das sich fast unvermeidlich ins Bild drängt).

In Odda wechsle ich zum Westufer des Sørfjord, auf die kleine Straße 550. Diese führt immer am Ufer der Halbinsel mit dem Folgefonna-Nationalpark erst nach Norden, um die Spitze herum, und dann wieder nach Südwesten. Schnell merkt man, wofür der Sørfjord bekannt ist: Auf dem schmalen Streifen zwischen Wasser und umgebenden Gebirgen wachsen unzählige Obstbäume, meist Äpfel, Birnen und Pflaumen. Das milde Klima des Fjords macht diesen zu einem Hauptanbaugebiet von Obst in Norwegen. Am Straßenrand findet man häufig einen kleinen Obststand, wo aber niemand steht und Obst verkauft. Der Verkauf basiert auf Vertrauen: Man nimmt eine Tüte oder Schale Obst, und man hinterlässt den Kaufpreis in einer kleinen Geldkassette.

Bryggen
Es gibt hier mehrere Möglichkeiten, auf die andere Seite des Hardangerfjordes zu kommen. Ich entscheide mich für die Fähre von Jondal. Danach geht es weiter über die Straßen 49 und 7 direkt nach Bergen.

Café in Bergen
In Bergen kann es zuweilen schwierig werden, eine Unterkunft zu finden, die nicht gleich ein Vermögen kostet, aber trotzdem einigermaßen zentrumsnah liegt. Ich habe einen Kompromiss gefunden, im Universitätsviertel. Es ist ein (unerwartet) altes Haus, mit hohen Stuckdecken und knarzenden Dielenböden. Glücklicherweise gibt es auch WLAN (wie meistens in Norwegen), denn ich muss für die nächsten Tage etwas umplanen. Die Wettervorhersagen sind weiterhin schlecht, so dass ich die geplante zweite Tour in der Hardangervidda aufgeben muss. Ich brauche also eine neue Route und neue Unterkünfte. Was aber in dem Hotel seltsamerweise zu fehlen scheint, sind Heizungen in den Zimmern…

Der Nachmittag ist dann dem Stadtzentrum von Bergen gewidmet. Erster Anlaufpunkt ist natürlich der Vågen, der alte Hafen, mit den Bryggen aus der Hansezeit. Diese alten Warenspeicher sind am Hafen sauber aufgereiht, die Gassen dazwischen sind mit Holzbohlen ausgelegt. Heutzutage werden dort natürlich keine Waren mehr gelagert. Stattdessen kommen hier (höherpreisige) Geschäfte, Kunsthandwerk, Cafés und Kneipen unter. Auch ich lasse es mir nicht nehmen, mir in einem der Cafés im Retro-Stil einen Kaffee und eine Zimtschnecke zu genehmigen.

Schließlich gehe ich dann auch nochmal durch die (moderne) Fußgängerzone auf der anderen Seite des Vågen. Um die unerwartete Schlechtwetterperiode zu überstehen, brauche ich unbedingt noch ein Buch.

Donnerstag, 6. September 2012: Voss

Bergdalsveg
Von Bergen geht es wieder zurück nach Osten, in die Kommune Voss. Auf den Straßen E39 und E16 ist man bald wieder raus aus Bergen. Diese Schnellstraßen sind aber langweilig, und ich habe ja den ganzen Tag Zeit. Deshalb verlasse ich bei Dale diese Straße wieder und nehme stattdessen die Route durchs Hinterland. Der Bergdalsveg schlängelt sich parallel zum Fluss Daleelva durch dessen Tal. Die Straße ist im Grunde einspurig, links begrenzt durch die Felswand, und rechts trennt nur ein kleines Mäuerchen die Straße vom Abgrund. Ab und zu erlauben Buchten, dass entgegenkommende Fahrzeuge aneinander vorbeikommen. Erst nach ca. 45 km trifft diese Straße wieder auf die E16.

Bald bin auch auch durch Vossevangen durch, den Hauptort der Kommune. Ich habe noch viel Zeit, und deshalb möchte ich noch einen Abstecher zum Sognefjord wagen. Von der E16 zweigt der Myrkdalsveg ab. Er führt erst durch ein breites, grünes Tal. An dessen Ende warten vier Serpentinen, die sich den Talschluss hinaufschrauben. Der Ausblick zurück ins Tal ist bemerkenswert. Aber kaum ganz oben angekommen, werden meine Pläne jäh gestoppt: Es fängt tatsächlich an zu schneien! Der Schnee bleibt zwar nicht liegen, aber es ist wohl keine gute Idee, mit Sommerreifen bei Schneefall Bergpässe zu fahren. Notgedrungen muss ich umkehren. Das Wetter meint es in diesem Urlaub wirklich nicht gut mit mir.

Wieder zurück auf der E16 fahre ich weiter, mit einer Mittagspause an einem Rastplatz am Oppheimsvatn. Danach geht es bald von der E16 ab, auf einen schmalen Schotterweg, der ein gutes Stück durch den Wald bis zur abgelegenen Pension führt. Die ist erstaunlich geräumig, aber ich bin (fast symptomatisch) der einzige Gast. Glücklicherweise hat die Pension eine eigene Küche, so dass ich nicht nochmal weg muss, um ein warmes Abendessen zu bekommen.

Freitag, 7. September 2012: Um den Hallingskarvet

Für die nächsten Tage war eigentlich eine zweite Tour durch die Hardangervidda geplant. Die fällt jetzt flach, das Wetter ist einfach zu schlecht. So gibt es also ein Ausweichprogramm. Heute fahre ich eine große Schleife nach Osten, um dann am Abend wieder am Sørfjord zu sein.

Hallingskarvet
In Voss geht es erstmal wieder zur E16 und dann nach Osten. Gleich am Anfang, nach Gudvangen, geht es durch den Gudvangatunnel. Der ist sage und schreibe 11 km lang! Das ist der mit Abstand längste Autotunnel, den ich je gefahren bin. Die Norweger bauen (notgedrungen) viele Tunnel. Und gleich hinter dem Gudvangatunnel wartet dann der längste Autotunnel der Welt, der Lærdalstunnel mit sagenhaften 25 km Länge. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele Tonnen Dynamit in Norwegen für den Tunnelbau draufgegangen sind. Allerdings sind die Tunnel nicht so ausgebaut wie in Deutschland. Es gibt meistens nur eine Spur pro Richtung, die Wände sind nicht verschalt (bestenfalls mit Matten gesichert), und die Beleuchtung eher spärlich.

Vøringfoss
Den Lærdalstunnel fahre ich dann aber nicht mehr, meine Route zweigt kurz davor ab. Mein Weg führt auf der Straße 50 am Strandavatn vorbei nach Südosten. Von der anderen Seite des Sees blicken die schneebedeckten Berge des Hallingskarvet-Nationalpark herüber. Es ist zwar zeitweise sonnig, aber windig und kalt. In der Höhe wird das Wetter schnell ungemütlich.

Vorbei geht es am Wasserfall Hivjufoss und durch die Ortschaft Hol. Danach treffe ich auf die Straße 7, die wieder nach Westen führt. Parallel zu dieser Straße verläuft eine zeitlang die Bergenbahn, die Bahnstrecke von Oslo nach Bergen. Der Wintersportort Geilo liegt ebenfalls an dieser Straße. Bei Haugastøl trennen sich dann wieder Bergenbahn und Straße, und es geht hinauf in die Hochebene der Hardangervidda, und prompt wird das Wetter schlechter. Bei Dyranut komme ich an der Stelle vorbei, bei der ich nach dem ursprünglichen Plan die Tour in den Nationalpark starten wollte. Heute ist es aber sehr windig mit Schneeregen. Die Entscheidung auf die Tour zu verzichten war goldrichtig.

Stattdessen folge ich weiter der Straße 7, mit einem Halt bei Fossli, wo der Fluss Bjoreio als Vøringfoss eindrucksvoll 182 Meter in eine Schlucht hinabstürzt. Ab diesem Punkt fällt die Straße wieder ab, erst steil in Serpentinen und Spiraltunneln, dann flacher, bis man wieder fast auf Meeresniveau am Eidfjord ankommt. An der schmalsten Stelle wird gerade eine große Brücke über den Eidfjord gebaut, die die aktuell noch verkehrende Autofähre über den Fjord ersetzen soll.

Die Küstenstraße ist bis Kinsarvik besonders schmal. Kurz vor dem Ort kommt mir ein großer LKW entgegen, der selbst kaum noch vorwärts kommt, und an dem andere PKWs gerade noch so an manchen Stellen vorbeikommen. Ich bin mir nicht sicher, wo der noch hin will, aber auf der Straße wird er nicht weit kommen. Spätestens an der nächsten engeren Kurve wird Schluss sein.

Bei Kinsarvik beginnt der Sørfjord. Auch auf der Ostseite besteht ein Großteil des Küstenstreifens aus Obstplantagen. Bald komme ich in Lofthus an, wo ich mehrere Nächte übernachten werde. Im Restaurant des Gästehauses findet gerade eine Hochzeitsfeier statt. Dadurch komme ich später erstmals in den Genuss von Rentierbraten, der sonst wohl eher selten auf der Karte steht. Schmeckt wie jedes andere Wild…

Samstag, 8. September 2012: Um das Saudafjell

Røldal vom Saudafjell
Heute (und so wie gestern und morgen) ist weiter Ersatzprogramm angesagt. Ich werde eine Runde um das Saudafjell drehen. Ich habe auch überlegt, bis Haugesund zu fahren. Der zweite, ausgeliehene Reiseführer liegt aber noch zu Hause, und der eigene mitgenommene schweigt sich aus über diese Stadt. Deshalb werde ich erstmal losfahren, und wenn dann ganz viel Zeit ist, werde ich Haugesund anfahren.

Saudafjell
Von Lofthus geht es also erstmal nach Süden am Sørfjord entlang, durch Odda, und zum wiederholten Male in Richtung Røldal. Kurz vor der Ortseinfahrt zweigt dann aber die Straße 520 ins Saudafjell ab. Diese ganz schmale Straße arbeitet sich erst wieder einige Höhenmeter in das Gebirge zurück. Die Landschaft ist Granitfels mit Grün dazwischen und dem einen oder anderen Gewässer. Hierhin verirrt sich kaum jemand. Wer es eilig hat, nimmt eher die breiten Küstenstraßen. Hier dagegen geht es immer kurvig und hügel-rauf, hügel-runter mitten durchs Gebirge. Erst nach 40 km komme ich in die nächste Siedlung, Sauda. Dort gibt's in einem Bistro auch ein passendes Mittagessen, kalte Bulette („Karbonade”) mit Salat im Baguettebrötchen.

Danach führt die Route wieder hauptsächlich am Ufer entlang, bis zur Straße 46, dort weiter im Uhrzeigersinn um das Saudafjell. An dieser Stelle entscheide ich mich dann auch gegen die Fahrt nach Haugesund. Auf der E134 geht es dann wieder nach Nordosten, bis ich wieder auf die 13 südlich von Odda treffe. Die Strecke durch Odda und am Sørfjord entlang kenne ich ja schon, und die Ankunft in Lofthus komplettiert die Runde.

Einige Tage später kann ich dann nachlesen, dass ich in Haugesund im Grunde nichts verpasst habe.

Sonntag, 9. September 2012: Husedal bei Kinsarvik

Tveitafoss
Tag drei des Ausweichprogramms. Für heute ist etwas besseres Wetter angekündigt, und gegen Mittag soll sogar die Sonne rauskommen. Es ist also Zeit, wieder ein paar Schritte zu gehen. Dazu habe ich mir eine Wanderroute durch das Husedal ausgesucht. Es beginnt in Kinsarvik, ein paar Kilometer nördlich am Sørfjord. Der Fluss Kinso durchfließt dieses Tal, und der Weg führt immer dicht am Fluss entlang. Auf den wenigen Kilometern kann man ganze vier Wasserfälle bewundern.

Der Weg beginnt oben im Ort. Gegenüber von einem großen Parkplatz verschwindet er im Wald. Mit nur leichtem Anstieg wandert man immer am Fluss entlang, bis man nach einiger Zeit am ersten Wasserfall, dem Tveitafoss, ankommt. Neben diesem Wasserfall wird oben Wasser abgezweigt, durch ein großes Fallrohr geleitet, und unten durch Turbinen in einem Kraftwerk geleitet.

Ab hier geht es dann steiler bergauf. Man erreicht die Kopfhöhe des Wasserfalls entweder über einen breiten Forstweg, oder man klettert über grobe Felsblöcke am Fallrohr des Kraftwerks entlang. Natürlich mache ich letzteres.

Obstanbau am Sørfjord
Oben angekommen geht es weiter über Stock und Stein durch den Wald, bis man den schönsten der vier Wasserfälle sehen kann, den Nyastølfoss. Ab hier wird der Weg dann knifflig. Man hat keine Felsblöcke als Stufen mehr zur Verfügung. Der Weg führt nun öfter über flachen, abschüssigen Granit, der entweder selbst noch nass von den letzten Tagen ist, oder bei dem das Wasser aus den Matschrändern über den Felsen läuft. Weder der nasse Fels noch der umgebende Waldboden ist sonderlich griffig, so dass ich kaum noch voran komme, immer Slalom um das Wasser laufend. Und steil ist es sowieso.

Irgendwann treffe ich wieder auf den Forstweg, bzw. auf dessen Ende. Ab hier geht es dann noch ein Stück weiter durch den Wald, und man sieht die anderen beiden Wasserfälle Nykkjesøyfoss und in der Ferne den Søtefoss.

Mittlerweile ist es tatsächlich so sonnig wie angekündigt. Seit langem kann man mal wieder die Jacke ausziehen. Für den Rückweg nehme ich diesmal den Forstweg bis zum Kraftwerk, und dann wieder den Waldweg am Fluss entlang.

Nach der Rückkehr in Kinsarvik habe ich so richtig Lust auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Das sollte in einem Ferienort wie diesem ja kein Problem sein. Aber ganz offensichtlich ist es in Norwegen nicht üblich, bei schönem Wetter am Sonntag Nachmittag so etwas wie Kaffee und Kuchen anzubieten. Alle Cafés, die ich im Ort finden kann, haben entweder generell geschlossen oder machen erst am Abend auf (und dann wohl eher als Kneipe). Schade!