Setesdal und Kjerag

Dienstag, 28. August 2012: Fahrt bis Dänemark

Heute geht es los. Weil ich viel dabei habe (u. a. die Campingausrüstung und einiges an Lebensmitteln), fahre ich mit dem Auto. Der kürzeste Weg ist durch Deutschland, und dann mit einer Fähre über die Nord/Ostsee. Eine Möglichkeit ist die Fähre von Kiel nach Oslo. Die ist aber eher als Mini-Kreuzfahrt ausgelegt, und die Überfahrt dauert fast einen ganzen Tag! Alternativ kann man auch noch durch Dänemark durchfahren, und von der Nordspitze (Hirtshals) nach Kristiansand übersetzen. Diese Überfahrt dauert nur etwa drei Stunden. Diese Fähre fährt aber nur zweimal am Tag, einmal Mittags, und einmal Abends. Die Abendfähre kommt erst nach Mitternacht in Norwegen an, und ich möchte zu der Zeit nicht in der Unterkunft in Kristiansand einchecken (die Pensionsleute haben auch ihren Schlaf verdient!). Also bleibt nur die Mittagsfahrt, und wenn man die Fahrtzeit von Nürnberg aus zurückrechnet, müsste ich mitten in der Nacht losfahren, um (mit Reserve) rechtzeitig anzukommen. Aber ich bin ja im Urlaub, nicht auf der Flucht. Also beschließe ich die gemütliche Variante: Fahrt tagsüber bis etwa Flensburg, dann übernachten, und erst am nächsten Tag durch Dänemark durchfahren, um dann bequem Mittags in Hirtshals am Fährhafen anzukommen.

Der Plan geht auch gut auf. Der einzig nennenswerte Stau ist der unvermeidbare am Hamburger Elbtunnel. Ich komme am frühen Abend in Handewitt an, wo ich in einem kleinen Gasthof übernachte. Die Fahrt war lang, und am nächsten Morgen soll es wieder früh weitergehen. Deshalb geht es nach einem Abendessen bald ins Bett.

Mittwoch, 29. August 2012: Fähre und Kristiansand

Fähre in Hirtshals
Am zweiten Tag geht es also noch vor 7 Uhr wieder los. Von Handewitt aus fahre ich direkt nach Norden bis Hirtshals. In diesem kleinen Ort fast ganz im Norden von Dänemark gibt es einen Fährhafen, von dem aus verschiedene Autofähren nach Norwegen und zu den Färöer-Inseln fahren. Die Fährtickets bei Color Line habe ich schon vorher online gekauft. Die Überfahrt ist mit 40 € (pro Fahrt mit 1 PKW und 1 Person) relativ günstig. Da würde sich eine Autoroute über die Öresundbrücke und Schweden nicht lohnen. Das würde länger dauern, und schon das Benzin wäre teurer, von der Brückenmaut ganz zu schweigen. Bei bestem Wetter komme ich am Fährhafen an, der Check-in ist problemlos wie erwartet. Weil die Fahrt davor auch fast ohne Verzögerungen vonstatten gegangen ist, habe ich sogar noch Zeit, mir die Beine zu vertreten.

Die See bei der Überfahrt ist ruhig. Mein Mittagessen kaufe ich auf der Fähre.

Kristiansand
Plangemäß legt die Fähre am Nachmittag in Kristiansand an. Nach der Ausfahrt aus der Fähre und zwei Sätzen Unterhaltung mit einem Zollbeamten bin ich nun endgültig in Norwegen angekommen. Ich fahre zuerst mal zu meiner Pension, die direkt an der Strandpromenade liegt. Das Zimmer ist zwar winzig, die Lage könnte aber kaum besser sein, und der Preis ist bezahlbar.

Später laufe ich dann noch in die Fußgängerzone von Kristiansand. Die kenne ich schon von einem vorherigen Abstecher. Das ist auch eine gute Gelegenheit, bei einem Bankautomat ein bisschen Bargeld für diesen Urlaub abzuheben.

Donnerstag, 30. August 2012: Durch das Setesdal

Bisher war alles nur An- und Einreise. Heute geht's richtig los! Ich verlasse Kristiansand nach Norden auf der R9. Diese Straße führt durch das Setesdal. Es geht immer entlang am Fluss Otra, der manchmal schmal ist und manchmal breit, wie am Byglandsfjord. Anders als der Name vermuten lässt, ist das kein Meeresarm, sondern ein aufgestauter Flussabschnitt. Das Setesdal ist stark von den Eiszeiten geprägt, wie fast alles in Norwegen. Besonders eindrucksvoll ist das Tal bei der Ortschaft Valle, wo es von Gletschern zu einem breiten Trogtal ausgefräst wurde.

Blick von der Tjuvhola
Am Byglandsfjord mache ich auch den ersten längeren Halt. Kurz nach dem Südende des Sees gibt es einen kleinen Parkplatz, der auch der Startpunkt zu einer kleinen Wanderung ist. Ein schmaler Pfad führt in den Wald, wo es steil den Talhang hinauf geht. Über enge Serpentinen und Stock und Stein endet der Weg bald an der Tjuvhola, einer kleinen aus dem härteren Gestein ausgespülten Gipshöhle. Die Höhle selbst hat eigentlich nichts spektakuläres zu bieten, aber vom Höhleneingang aus wird einem ein toller Ausblick über den Byglandsfjord geboten. Diese kleine Wanderung ist also eine schöne Gelegenheit, schonmal ins Laufen zu kommen.

Mülleimer im Setesdal
Nach einer Mittagspause an der Höhle und dem Wiederabstieg geht es wieder auf der R9 in Tal entlang. Immer wieder laden schöne Stellen zum Anhalten an, wie z. B. der Wasserfall Reiårsfoss oder am Kvinuten am Otra nach Valle. Witzig ist auch das Markenzeichen des Setesdal: Jedes Wartehäuschen an der Straße ist als Blockhütte mit Grasdach ausgeführt, teilweise sogar die Mülleimer!

Meine nächsten beiden Übernachtungen sind auf dem Campingplatz Flateland Camping geplant. Dort habe ich schon vorab eine kleine Hütte gebucht. Ich bin etwas zu früh dran, als ich am Campingplatz eintreffe. Deshalb ist auch noch niemand von den Betreibern anwesend. Also schaue ich mich schonmal etwas um. Die Hütten sind alle sehr gut in Schuss, die Dusch- und Waschräume sind wie auf Campingplätzen üblich. Es ist wenig los. Kein Wunder, denn die Saison ist Ende August vorüber. Die beiden Übernachtungen sind auch die beiden letzten überhaupt in diesem Jahr auf diesem Platz.

Schließlich taucht doch noch der Betreiber auf. So kann ich mich erstmal in der Hütte einrichten. Es gibt vier Betten (das war die kleinste Hütte), Tisch und Stühle, und eine Kochecke mit zwei Platten und Geschirr.

Freitag, 31. August 2012: Kjerag

Setesdalsheiane
Heute wird ein langer Tag. Nach einem Frühstück werden die Wandersachen gepackt, und es geht erstmal ein Stück zurück auf der R9. Bei Nomeland biege ich dann nach Westen ab. Über die Straßen Fv337, Fv986 und Fv500 geht es über die Setesdalsheiane bis zum Lysefjord. Dort, hoch über dem Ort Lysebotn, ist ein großer Parkplatz, von dem die Wanderroute zum Kjerag startet. Es ist bestes Wanderwetter, strahlend blauer Himmel, aber norwegisch frisch. Kein Wunder, dass auf dem Parkplatz schon einiges los ist. Es gibt auch ein Bistro, bei dem ich eigentlich noch etwas Verpflegung für den Tag kaufen wollte. Aber das ist die pure Enttäuschung. Es gibt ein trockenes Baguette ohne alles, und eine Waffel ohne alles, und sonst nichts, was man mitnehmen könnte. Da hätte ich mal lieber schon im Setesdal eingekauft! Dann muss es also bei den Kleinigkeiten bleiben, die ich schon habe.

Der Kjerag ist der höchste Punkt der Umgebung und der offizielle Endpunkt dieser Wanderroute. Die meisten dürften allerdings wegen des Kjeragbolten kommen. Das ist ein großer Felsklotz, der in einer senkrechten Spalte direkt über dem Lysefjord eingeklemmt ist. Wenn man direkt auf diesem Felsen steht, dann gibt es unter dem Klotz bis zum Fjord nur 1000 Meter Luft. Nichts für Leute mit Höhenangst!

Aber die Aussicht in den Fjord muss man sich erst erarbeiten. Es geht direkt vom Parkplatz aus steil den blanken (aber griffigen) Granitfels hinauf. An den steilsten Stellen wurden Eisenketten und Stahlseile angebracht, an denen man sich hochziehen kann. Ohne diese Hilfsmittel könnte man diese Stellen wohl kaum bezwingen.

Wenn man dann den ersten Berg bezwungen hat, dann ist man noch lange nicht am Ziel. Es geht dann erstmal wieder etliche Höhenmeter in einen Sattel hinunter, und von dort wieder etliche Höhenmeter über die nächste Kuppe. Das wiederholt sich dann nochmal, so dass man am Ende doch etliche Meter geklettert ist.

Kjeragbolten
Schließlich kommt man am Kjeragbolten an. Eine felsgefüllte Spalte führt zu einem kleine Plateau, wo die Spalte in der Tiefe verschwindet. Darin, direkt neben dem Plateau, klemmt der Felsblock. Ein paar Dutzend Wanderer sind schon da, und am Zugang zum Felsblock bildet sich sogar eine kleine Schlange. Jeder möchte sich auf dem Fels stehen fotografieren lassen, und alle anderen machen Pause.

Für den Rückweg gibt es zwei Möglichkeiten: Den gleichen Weg wieder zurück, oder eine südliche Schleife, die im ersten Sattel wieder auf den Hinweg trifft. Ich entscheide mich für die zweite Variante. Nach einem kleinen Anstieg vom Kjeragbolten weg geht es wieder ins südlich von der Hauptroute gelegene Tal hinunter, zunächst wieder über blanken Fels. Dort lässt sich gut laufen, solange man die nassen Stellen auf dem Fels umgeht. Ins Rutschen möchte man hier nicht kommen. Nach ein paar hundert Metern führt die Route schließlich in das fast ungewohnt grüne Tal. Hier bin ich plötzlich ganz alleine. Der Rest der Herde scheint ausschließlich den Hinweg auch wieder als Rückweg zu gehen. Der Weg ist nur noch ein hüftbreiter Trampelpfad mit Pfützen und Felsbrocken, der sich durch das Blaubeergestrüpp schlängelt. Im Tal grasen ein paar Schafe. Immer leicht bergab geht es an einem kleinen See vorbei. An dessen Ende treffe ich schließlich wieder auf den Pfad vom Hinweg. Den letzten Berg habe ich zwar so umgangen, aber schneller war ich so wahrscheinlich nicht, denn besonders gut laufen kann man dort nicht. Außerdem bemerke ich an dieser Stelle, dass ich vorher einen Anfängerfehler gemacht habe: Vor dem Abstieg habe ich meine Schuhe nicht enger gebunden, und beim Laufen über den schrägen Fels haben die großen Zehen ständig am Schuh gerieben. Außerdem habe ich Socken getragen, die ich sonst eher selten zum Wandern anhabe. Da deuten sich jetzt schon Blasen an!

Flateland Camping
Nachdem ich jetzt wieder auf dem besser gangbaren Weg bin, muss ich trotzdem wieder den ersten Berg der Route überwinden. Es geht also wieder steil bergauf, wieder mit Zuhilfenahme von Seilen und Ketten, und auf der anderen Seite geht es wieder bergab in Richtung Parkplatz. Das strengt an, und die mangelnde Verpflegung macht sich bemerkbar. Schließlich bin ich froh, am späten Nachmittag wieder am Auto zu sein. Das Bistro hat mittlerweile geschlossen. Also geht es nach kurzer Pause wieder über die Landstraßen durch die Setesdalsheiane zurück ins Setesdal. Auch hier bin ich fast alleine, die meisten anderen nehmen wohl die Route hinunter in den Lysefjord und mit der Fähre von Lysebotn nach Westen nach Stavanger. Eine Straßenverbindung vom Kjerag nach Westen gibt es nicht. Aber auch die Setesdalsheiane ist sehenswert, skandinavische Wildnis im Licht des späten Nachmittags.

Zurück in Flateland wartet schon die Campinghütte auf mich. Es gibt wieder selbstgekochte Pasta, die selten so gut geschmeckt hat wie heute. Das größte Problem an diesem Tag ist noch, 10-Kronen-Stücke für die Dusche aufzutreiben. Auch die vier (deutschen) Motorradfahrer von nebenan können nicht weiterhelfen, und die Familie aus der Oberpfalz zwei Hütten weiter hat das gleiche Problem (bzw. weiß jetzt, dass sie ein Problem haben, nachdem sie von mir von der Dusche mit Münzeinwurf erfahren). Glücklicherweise gibt es noch ein holländisches Paar im Wohnmobil, das mir mit Kleingeld aushelfen kann. Das reicht dann sogar noch für die Oberpfälzer.

Habe ich schon erwähnt, dass in Norwegen ziemlich viele Deutsche unterwegs sind?

Samstag, 1. September 2012: Setesdal, Haukeli

Kjelavatn
Heute verlasse ich den Campingplatz. Es geht weiter nach Norden auf der R9 durch das Setesdal. Es gibt immer wieder schöne Stellen, wie die felsige Flusslandschaft des Otra bei Berdalen, oder der See Hartevatn bei Hovden, sonst Badesee, aber zu dieser Jahreszeit fast verlassen.

Die R9 stößt bei Haukeligrend auf die E134. Nach kurzem Auftanken im Ort geht es hier nach Westen weiter. Es ist ziemlich windig und kalt. Bäume gibt es hier nur noch vereinzelt. Leider gibt es auch sonst wenig zu sehen, so dass ich bald (und eigentlich zu bald) in Røldal ankomme. Dort habe ich ein Zimmer in einer Hütte gebucht. Die Hütte bedient wohl meistens das Skigebiet nebenan, aber zu dieser Jahreszeit scheine ich der einzige Gast zu sein. Die Gemeinschaftsküche ist schön geräumig, und wieder ist Eigenverpflegung angesagt. Dazu fahre ich erstmal wieder in den Ort zurück und kaufe frische Lebensmittel im Supermarkt.

Später treffen doch noch weitere Gäste ein: Es ist ein Pärchen aus Deutschland (woher sonst!), die in den letzten Tagen unter anderem die Tour zur Trolltunga am Sørfjord unternommen haben. Jetzt sind sie auf dem Rückweg nach Stavanger und dann nach Deutschland.

Am Abend packe ich dann schonmal den Rucksack für die Tour in der Hardangervidda in den nächsten Tagen.