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Durch Oregon

Saturday, June 19th, 2004

teilweise bewölkt, warm, windig

Maupin

Die Nacht war eher unruhig, haben doch die Züge versucht, mitten durch das Motel zu fahren, und Tom hatte auch wieder vergessen das Handy auszuschalten. In Deutschland ruft ihn auf dem Ding kein Schwein an, doch hier klingelt es jede zweite Nacht. Heute steht eine heftige Tour bevor, doch lässt sie sich aus Mangel an Übernachtungsmöglichkeiten kaum anders planen. Wir wollen ins Niemandsland, auch oregoner Hinterland genannt. Ziel sind die John Day Fossil Beds. Die Fahrt geht über teilweise heftig gewundene Sträßchen – hügelauf, hügelab – in Richtung auf den ersten Teil, die Clarno Formation. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch durch eine Kleinstadt („Most livable ghost town”) namens Maupin. Ganz nett, für einen kurzen Stopp reicht es und immerhin haben sie hier auch eine Toilette (Tom nimmt die für „Coybows”). Diese entpuppt sich zwar ob der knapp vor der Schüssel angebrachten Tür eher für Zwerge und Kinder geeignet, doch wad mud, dad mud.

Wie immer gibt es unterwegs in Zentraloregon viele Aussichtspunkte der allgemeinen oder punktuellen Einsamkeit, die es für die meisten zu begutachten gilt. Die „Meisten” ist eigentlich falsch, denn Robert legt heute einen Amerikanischen Tag ein, d.h. er steigt eigentlich kaum aus dem Wagen aus und pennt entweder (was er sehr ausgiebig auch auf holprigen und gewundenen Straßen beherrscht) oder liest. Carlos probiert es Robert gleich zu tun, zumindest was das Verschlafen der tollen Landschaft angeht (z.B. dem phantastischen John Day River Valley), doch steigt er an den Wanderungen zumindest aus und macht auch gelegentlich dabei die Augen auf (erst eine Standpauke von Tom scheint zu helfen, dass Michl und er sich solche Mühe bei der Routenplanung gegeben hätten, dass er sich doch wirklich zu einem „Ganz nett” hinreißen lässt).

Foree, John Day Fossil Beds

Die Clarno Formation sind steile, schroffe Klippen, die sich in den strahlend blauen Himmel erstrecken und mit zwei kurzen Wanderungen zu einer Besichtigung einladen. Hier in der Gegend begegnet man eh selten anderen Autos, so sind wir auch lange Zeit die Einzigen hier, bis ein Ranger kommt, einen Eimer schwarze Farbe auspackt und die Straßenbegrenzung an der Parkbucht schwarz anmalt.

The Palisades

Auch der nächste Teil der John Day Fossil Beds ist ein ganzes Stück weit weg, so dass wir in Spray unterwegs einen Memorial Park für Kellner („We honor those who serve”) mit einer schattigen Bank zum Picknick nutzen. Carlos hatte sich vor einigen Tagen einen Schokokuchen (Chocolate Fudge Iced) gekauft, der die strukturelle Integrität des Universums auf eine harte Probe stellt – will sich doch laufend ob der Schwere an der Stelle des Kuchens ein schwarzes Loch bilden). Jedenfalls schafft Carlos das Unmögliche und verspeist (nach einer normalen Portion Mittagessen versteht sich) das noch übrige letzte Drittel des Kuchens. Tom konnte noch Stunden, nachdem er einige Milligramm davon zu sich nahm, die Stelle im Magen benennen, wo die Masse sich untrennbar mit der Magenschleimhaut verklebt hatte…

Das Notebook (oder genauer) die Navigationssoftware hat eine Abkürzung ausgemacht. Auf einer Sandpiste geht es quer durch die Täler und Hügel. Ganz großes Theater. Leider stellen die weiterführenden Wege sich alle als Privatwege, Trampelpfade oder als gesperrt heraus, so dass wir in einem großen Bogen letztlich wieder an der Ausgangsstraße ankommen, allerdings nicht, ohne vorher noch einen Bobcat aus nächster Nähe zu sehen.

Weiter geht die Fahrt zur Foree und Blue Basin Area, die mehrere Wanderungen bieten. Wir entscheiden uns für den „Story in Stone”-Trail, den „Flood of Fire”-Trail und den „Island in Time”-Trail. Überall sehen wir ungefähr die gleichen (auch im dritten Anlauf nicht weniger interessanten) türkisen Hügel, nach Carlos Meinung handelt es sich um Pistazien-Geschmack. Carlos geht mit einem „wirklich nicht schlecht” voll aus sich heraus. Auf letztem Trail (Carlos hatte sich gerade aus unerfindlichen Gründen dazu entschlossen, zum Wagen zurückzujoggen und war gerade verschwunden – kurzzeitig im Eifer des Gefechts ein Bachbett und den Wanderwegs verwechselnd) stürzt Tom, als er von einem Stein abrutscht, prellt sich die Hände, den Ellbogen und schürft sich das rechte Knie auf. Endlich. Jetzt ist das Thema „wann passiert der Unfall” auch für diesen Urlaub wieder gegessen und auch noch relativ glimpflich angegangen. Immerhin sind noch alle Körperteile dran.

Painted Hills

Der nächste Halt ist ein kurzer Stopp am neu errichteten Visitor Center, um den Sheep Rock auf Zelluloid respektive in farbige Bits zu bannen. Dann fahren wir noch mal kurz durch die Picture Gorge und machen uns zum letzten Teil, den Painted Hills auf. Dabei handelt es sich um bunte Eiskremhügel in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen. Angeblich, wenn man Wasser drauf schüttet, wird sogar noch Popcorn daraus. Jetzt übernimmt Carlos von Tom die Rolle des Fahrers, dessen Knie mittlerweile ziemlich geschwollen ist. Nach längerer ermüdender Fahrt und etlichen Anläufen ein Motel zu finden, kommen wir letztlich im Bend Riverside Motel unter. Nicht billig, dafür aber seeehr schön. Appartements, mit Küche, Balkon und Blick auf den Fluss. Daher kommt auch der Wahlspruch des Motels „River sound is better than traffic sound” oder so ähnlich. Nachdem es mittlerweile schon 21:30 Uhr ist und wir einen 3$ Gutschein für eine Pizza gefunden haben, holen wir uns von Papa Murphy gleich zwei extragroße Pizzas und verspeisen sie auf dem Zimmer…

Sunday, June 20th, 2004

Sonnig, Warm, windstill

Heute schlafen wir mal bis in die Puppen und treffen uns erst um 8:30 Uhr am Auto. Schließlich ist ja heute Sonntag. Wir fahren nach einem Einkauf- und einem Tankstopp („Here are 2$ tip, share it with your colleague, but don't spend it all at once”) zum Lava Cast Forest, südlich von Bend. Hierzu geht es ein ganzes Stück auf einer Schotterpiste durch den Wald. Danach kann wirklich keiner mehr unser Auto als „sauber” bezeichnen.

Tom hat leichte Magenprobleme. Nachdem er schon die versteckte Toilette im Safeway (am Ende von Gang 16) genutzt hat, macht er auch ausführlich vom Erlebnisklo am Waldparkplatz Gebrauch. Solche Einkaufläden sollten wirklich Warnschilder aufstellen und großflächig mit Drassierbändern absperren, dass man nicht unvorbereitet an den Zwiebeln oder einer Zwiebelsuppe vorbeistapft. Für jemanden, der keine rohen Zwiebeln verträgt ist das sonst sehr gefährlich…

Newberry Crater

Die Wanderung ist nicht wirklich lang (ca. 2 km) dafür sind die Ausblicke umso interessanter. Ein Lavafluss vom Newberry Crater ist hier zu schwarzen Brocken erstarrt, die einen schönen Kontrast geben mit den Büschen, Bäumen und Blumen. Immer wenn ein Baumstamm dem Lavastrom im Weg war, ist dieser um den Baumstamm herum erstarrt. Danach ist typischerweise der Baumstamm aufgrund der ca. 1000 Grad Celsius abgefackelt und hat an seiner Stelle ein Loch hinterlassen. Auch die heute Morgen in extremer Klarheit sichtbaren Berge der Umgebung tragen beträchtlich zum Gesamtstimmungsbild bei. Auch herrscht heute mal wieder extrem ausgelassene Stimmung, die in einem „braven” und einem „Nicht-Großmutter-geeigneten” Gruppenphoto gipfelt.

Danach geht es weiter zur Lava Cave. Mit Jacke und langen Hosen sowie Stirnlampen ausgestattet, geht es an die Erkundung einer der längsten Lavaröhren Oregons, die eine unterirdisch begehbare Länge von über 5000 Fuß hat. Hier unten sind es immer 42 Grad Fahrenheit. Wir haben uns eine Gaslampe aufschwatzen lassen, doch wie sich zeigt, sind unsere mitgebrachten Stirnlampen viel praktischer und dicke ausreichend. Die flüssige Lava hat hier eine Röhre hinterlassen, die aufgrund der sauber geschnittenen Wände an vielen Stellen fast an die heimische U-Bahn erinnert. Am für uns begehbaren Ende (als man nur noch krabbelnd vorankommen würde) machen wir die Gaslampe in dem Wissen aus, dass wir sie nicht mehr anschalten können (dazu fehlen uns die Streichhölzer). Wir erleben absolute Dunkelheit. Den Rückweg legen wir nur mit unseren Stirnlampen zurück. Keiner von uns ist bis jetzt so weit unterirdisch gewandert. Zurück an der Oberfläche müssen wir uns erst mal wieder aufwärmen, was wir bei einem geruhsamen und reichhaltigen Picknick tun.

Obsidian Flow

Letzter Punkt auf dem heutigen Programm ist die Newberry Caldera selbst mit ihrem Obsidian Flow. Hier machen wir eine kurze Rundwanderung durch die wie schwarzes Glas scheinenden Obsidane. Carlos und Robert sind ganz zwischen dem Teufelchen und dem Engelchen auf ihren Schultern hin- und hergerissen, die abwechselnd auf sie einreden: „Nimm einen Obsidian mit”, „Nein, das ist verboten”, „Sie sind aber so hübsch. Nimm ihn. Nimm ihn. Nimm ihn”… Tom und Michl haben diese Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen und sind damals auf die Dunkle Seite der Macht übergewechselt (das Angebot war einfach zu verlockend, auch wenn sie jetzt diese schwarzen Masken tragen müssen und ständig röcheln…). Bei dieser Wanderung sehen wir auch, dass wir doch auf 1800 Meter Höhe sind. So kräftig die Sonne herunterbrennt, ist es doch angenehm kühl, und an vielen Stellen liegt noch Schnee.

Danach geht es zurück nach Bend, wo alle außer Tom in Pool und Spa gehen (Tom setzt wegen seiner offenen Hautstellen aus) und danach gehen Carlos und Robert sogar in die Sauna und sorgen für einen mittleren Affront, als sie nur mit Handtuch bekleidet die prüden Leute erschrecken.

Abends wollen wir noch Essen gehen und entscheiden uns für ein BBQ Restaurant, das allerdings um 20:30 Uhr bereits schließt!!! Nachdem es zum Zeitpunkt unserer Ankunft schon 20:20 ist, macht das wenig Sinn. Wir entscheiden uns für ein Sharys (24h open), das OK ist. Peinlich wird es erst, als Carlos sich zwei Zahnstocher walrossgleich in den Mund steckt und, als die Bedienung kommt, schnell wieder entfernt („Are you laughing at me?”).

Monday, June 21st, 2004

Sonne brennt heiß, relativ windstill

Mitten in der Nacht (7:30 Uhr) stehen wir auf und machen uns abfahrtbereit. Nachdem Carlos die traurige Wahrheit, genannt Motel-Abrechnung, einigermaßen verdaut hat (Golf, Pool, Spa, Küche, Herd, Spülmaschine und Fernseher mit Videorekorder rächen sich jetzt), geht es wieder raus aus Bend und zurück Richtung Redmond.

Noch einige Meilen weiter nördlich besuchten wir schließlich die Crooked River Bridge. Eigentlich handelt es sich ja um drei Brücken, die hinter einem Labyrinth aus Rasensprengern in einem kleinen Park zu finden sind. Eine uralte Eisenbahnbrücke, eine alte Straßenbrücke und eine moderne Highway-Brücke führen nebeneinander über den Crooked River. Bei den ersten Bauarbeiten mussten die Arbeiter jeden Tag die 100 Meter tiefe Schlucht hinab klettern, den Fluss durchwaten und auf der anderen Seite an Strickleitern wieder emporsteigen, um von beiden Seiten an dem Konstrukt bauen zu können. Im Park konnte man wieder einmal die Ignoranz von Hundebesitzern beobachten, welche trotz überall aufgestellter Verbotsschilder ihre kleinen und großen Lieblinge Tretminen verlegen ließen.

Smith Rock State Park

Auch Tom besuchte noch schnell ein Dixi-Klo, und dann ging es auch schon weiter in die Pampa hinein. Die Fahrt führte uns nach Osten, an armseligen Holzhäusern vorbei, die Michl als Slums von Redmond bezeichnete, die von ihren Besitzern aber wohl freiwillig bewohnt wurden. Die Krönung war eine blaue Bruchbude, deren eine Hälfte aussah, als wäre ein Wohnwagen hinein gekracht. Dies lag wahrscheinlich daran, dass sie tatsächlich aus einem halben Wohnwagen bestand, der mit dem Rest der Behausung vernagelt war. Unsere Fahrt endete schließlich am Smith Rock State Park, einem bei Kletterern sehr beliebten, kleinen Flusstal, welches von hohen Klippen eingefasst ist. Carlos übernahm die scheinbar einfache Aufgabe, die Parkgebühr von 3$ zu bezahlen (natürlich mit Roberts Geld, welches er diesem beim Abflug gegeben hatte). Leider geriet er dabei in die Hände einer älteren Dame, die den Parkplatz bewachte und ihm ihre Lebensgeschichte vorbetete. Nachdem er sich loseisen konnte, wanderten wir ein Stück den Fluss entlang und beobachteten die fleißigen Kletterer über uns bei ihrem Hobby. Zwar konnten die Kletterer, entgegen der amerikanischen Mentalität nicht direkt bis vor die Kletterwand mit dem Auto fahren, sondern mussten einige dutzend Meter gehen, doch zumindest wurde ihnen der Weg bis zum Einstig durch Stufen erleichtert, was Robert sehr amüsierte. Nichts desto trotz kann man sagen, dass dies einer der geeigneten Plätze ist, wenn man keine fetten, unförmigen Amerikaner sehen will, sondern einigermaßen sportliche. Da die Sonne heute extrem herunter stach, brachen wir den kleinen Spaziergang ab und marschierten wieder zurück in den Schatten. Michel fuhr uns wieder zurück nach Bend und weiter nach Burns. Bis wir dort jedoch endlich ankamen, sollten noch einige Stunden schier endloser Autofahrt vergehen, nur unterbrochen durch einen Abstecher zu einer kleinen Holzbrücke, die Tom fotografieren wollte, und einem kleinen Picknick. Carlos, Michl und Tom waren schon fast mit dem Essen fertig, da fiel ihnen besorgt auf, dass Robert immer noch nicht am Picknick-Tisch erschienen war. Ursprünglich war die Meinung, er sei noch auf dem Klo, doch es stellte sich heraus, dass er im Auto lag und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit keinen Hunger hatte. Ob dies wohl an den vielen Naschereien lag, die er schon während der Fahrt in sich hineingestopft hatte…

Wie dem auch sei, gegen 3 kamen wir in Burns an und waren recht erstaunt, dass wir weit und breit kein Feuer sehen konnten. Wir gingen schnell noch im Safeway einkaufen (Tom: Die haben ja nicht mal ne Bäckerei!) und nahmen das erst beste Motel (Days Inn), wo wir Bekanntschaft mit der amerikanischen Art des Hofkehrens machten: Ein kleiner Benzinmotor, der mit seinen eigenen Abgasen den Staub neben sich in eine Richtung bläst, und dabei einen Heidenlärm veranstaltet (Robert: Je lauter desto besser).

Bis der Pool öffnete vertrieben wir uns die Zeit in einem kleinen Park beim Volleyballspielen, das heißt Robert und Tom spielten, Michl las und Carlos wurde von Tom gezwungen Tagebuch zu schreiben (sonst hätte er mit Volleyball spielen müssen). Zumindest packen später Carlos und Tom noch ihre Stöcke aus und üben noch etwas Escrima.

Am Abend kehrten wir beim Apfel Tandler (Apple Peddler) ein, einem Family-Restaurant, wo man uns wie immer nicht so recht glauben wollte, dass wir aus Deutschland kommen: Was? Ihr kommt aus Deutschland? Ehrlich? Was macht ihr dann hier in Burns?!?!?!?

Danach ließen wir den Abend bei einer weiteren Partie Mahjongg, unterbrochen von einer wilden Schnakenjagd ausklingen.